Lernen neu gedacht: Entwicklungspfad von Future Skills in Studium und Arbeitswelt
Ich spreche regelmäßig mit Studierenden über die Anforderungen des modernen Arbeitsmarktes und finde es faszinierend zu sehen, wie stark ihr Interesse an Interaktion, generative KI und beruflichen Herausforderungen in Form von Soft Skills ist. In diesen Gesprächen wird deutlich, dass sie nicht nur theoretisches Wissen sondern auch praktische Erfahrungen sammeln wollen, die Sie in ihren fachlichen Vorlieben und Ihrer Entwicklungsrichtung bestärken und sie auf ihre zukünftigen Aufgaben vorbereiten oder auch einfach das Gefühl geben: das ist nichts für mich.
Der Erwerb von Future Skills – gerne digital, vernetzt, informell – ist für die Studierenden von entscheidender Bedeutung, da sie es ihnen ermöglichen, sich den Herausforderungen einer sich ständig verändernden Arbeitswelt anzupassen, in Gesellschaft und Organisation wirksam zu werden und gestaltend tätig sein zu können . Dabei geht es nicht nur um technische Fähigkeiten, sondern auch fokussiert um zwischenmenschliche Kompetenzen, sogenannte Soft Skills wie z.B. das große Feld der Kommunikation – interkulturell, multiperspektivisch, kritisch hinterfragend, in Zusammenhängen denkend, respektvoll und empathisch, transformativ, moderierend und ausgleichend bei Dilemmata – oder der Innovation – kreativ, kollaborativ, innovativ, out of the box denkend.
Eine Möglichkeit, solche Future Skills im Rahmen des Studium zu entwickeln, sind z.B. die Planung, Durchführung und Nachbereitung von Projekten und Workshops, die den Studierenden die Möglichkeit bieten, bereits in einem realen Arbeitsumfeld zu arbeiten. Dies kann die Übernahme kleinerer studienrelevanter Aufgaben in Unternehmen sein, das Testen von Software in unterschiedlichen Unternehmensprozessen, das Schreiben, Verteidigen und Umsetzen von Kommunikationskonzepten für die Universität selbst oder die Bearbeitung von neuen Themen aus Innovationsbereichen der Unternehmen.
Wäre hier nicht auch ein Lösungsansatz hinsichtlich des Fachkräftemangels weiterzudenken - Verzahnung und Integration von Studium und Arbeitsumfeld?
Durch solche Erfahrungen können die Studierenden nicht nur ihre fachlichen Kenntnisse vertiefen, sondern auch wichtige Kompetenzen wie Teamarbeit & Kollaboration über Silos hinweg, zielgrupppenspezifische Kommunikation & sowie Problemlösungs- und Gestaltungskompetenz entwickeln. Darüber hinaus ermöglichen ihnen beruf- und unternehmensintegrierte Lernfelder und Herausforderungen, Einblicke in verschiedene Branchen und Arbeitsbereiche und die Chance, ihr Netzwerk auszubauen. Der Übergang von Studium in den Beruf wird durchlässiger und damit einfacher, der Realitätsschock fällt aus, die Dauer bis zur Produktivität verkürzt sich.
Für mich bedeutet die Förderung von Future Skills bei Studierenden, sie auf eine individuell erfolgreiche und erfüllende (berufliche) Zukunft vorzubereiten.
Doch wie sieht das Studium aktuell in den meisten Universitäten aus?
Ulf-Daniel Ehlers beschreibt in seinem Buch (2020) Future Skills - Lernen der Zukunft – Hochschule der Zukunft, Springer VS, S. 275 „Hochschulbildung ist generell institutionsgebunden – Studierende schreiben sich – für gewöhnlich direkt nach ihrem Schulabschluss an einer Institution ein, an der sie später auch ihren Abschluss machen. Sie studieren entlang eines vordefinierten Curriculums mit vorgegebenen Inhalten, um vorgeschriebene Lernziele zu erreichen, die sich in der Regel aus einem bestimmten Berufsfeld oder einer Wissenschaftsdisziplin ableiten. Studiengänge sind dabei in einer akademischen Disziplin oder Fakultät/ Organisationseinheit des gegenwärtigen akademischen Systems verortet.“
Doch diese Art des Studierens passt immer weniger in unsere Zeit des kontinuierlichen Wechsels zwischen Lernen und Arbeiten, des adaptiven Lernens und Entwickeln individueller Future Skills. Daher diskutiert er bereits die Zukunft der Hochschulen in vier zentralen Szenarien , die auf den Entwicklungen von Future Skills, multi-institutionellen Studienverläufen, personalisiertem akademischem Lernen und lebenslangem Lernen beruhen.
- Future Skills und Wissen: Die Hochschulbildung entwickelt sich dahingehend, dass sie zunehmend Future Skills, sogenannte Meta-Soft-Skills, betont, die über spezialisiertes Wissen hinausgehen. Während Wissen immer noch wichtig ist, um z.B. die KI mit den richtigen Befehlen zu füttern bzw. Ergebnisse zu validieren, wird betont, dass Future Skills auf diesem Backgroundwissen aufbauen und dieses benötigen. Diese Veränderung ist bereits in vielen Institutionen im Gange und wird voraussichtlich weiter an Bedeutung gewinnen.
- Multi-institutionelle Studienverläufe: Hochschulbildung bewegt sich von einem Modell, das sich auf eine Institution konzentriert, hin zu einem, das auf Kooperationen zwischen verschiedenen Institutionen setzt, einem Hochschul-Ökosystem. Dies ermöglicht den Studierenden eine größere Flexibilität und Auswahl, bringt aber auch Herausforderungen mit sich, insbesondere in Bezug auf die Anerkennung von Studienleistungen.
- Personalisierung akademischen Lernens: Studiengänge werden flexibler und personalisierter gestaltet, wobei Studierende aktiv an der Gestaltung ihrer Curricula beteiligt sind und zukünftig durch individuelle Lernbots oder sogenannte KI-Lerncoaches dabei unterstützt werden können – sowohl in der Planung der Studieninhalte als auch in der Lernbegleitung selbst. Diese Personalisierung erfordert jedoch einen kulturellen Wandel an den Hochschulen und stellt Herausforderungen in Bezug auf die Sicherstellung der Qualität und Unterstützung der Studierenden, wenn nicht digital, dar.
- Lebenslanges Lernen in Hochschulen: Die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens wird betont, da sich das Arbeitsumfeld ständig wandelt. Hochschulen müssen sich von einem Modell verabschieden, das die Vorbereitung auf einen Beruf in den Vordergrund stellt, und stattdessen lebensbegleitendes Lernen als integralen Bestandteil der Hochschulbildung betrachten.
Diese Szenarien zeigen, dass die Zukunft der Hochschulen von einer Vielzahl von Veränderungen geprägt sein wird, die sich auf die Art und Weise auswirken, wie Bildung erlebbar wird und wie Studierende und Arbeitenden darauf zugreifen können. Es wird erwartet, dass diese Veränderungen in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen und die Hochschullandschaft grundlegend verändern werden.
Wie könnte die Entwicklung von Unternehmen im Hinblick auf das Erlebbar und Erlernbar machen von Future Skills aussehen? Finden Sie anbei einen Entwurf eines Reifegrad-Modell zur Entwicklung von Unternehmen - im Hinblick auf zukünftiges Lernen von und mit Future Skills.

Die Grafik zeigt fünf Reifestufen der Entwicklung, des Verständnisses und der Umsetzung bzw. Integration der „Future Skills“ in den Arbeitsalltag eines Unternehmens nach dem Spiral-Dynamics-Modell. Es geht letztendlich um die gesammelten Erfahrungen des Lerners und der Lernteams (Lerner Experience LE) in diesem Unternehmen. Sie sollten positiv, motivierend, wertschätzend, fordernd, vernetzend, interaktiv, reflektierend sein, um kollaborativ Mehrwert aus neuen Erkenntnisse zu gewinnen und diese entsprechend erlebbar und wieder erlernbar zu machen.
Die Stufen blau/grau und orange bilden dabei das meist aktuelle Paradigma, das an Hierarchie und Effizienz sowie formale Wissensvermittlung und Konsumentenverhalten der Lerner orientiert ist. Die grüne, gelbe und türkise Stufe stehen für neue, eher vernetzte und systemische Organisationsformen sowie selbstgesteuertes, KI unterstütztes, individuelles und soziales Lernen in Netzwerken.
Strategie, Organisation & Strukturen, Learner Experience und Learning Design müssen sich nach diesem Modell parallel zur Lernkultur weiterentwickeln, sonst bremsen sie einander aus. Viele Institutionen konzentrieren sich bei ihrer Transformation leider einseitig auf Arbeitsorganisation und Prozesssteuerung und vernachlässigen dabei die Weiterentwicklung der Lernkultur.
Bleiben Sie neugierig und denken Sie weiter
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