Zirkuläre Kreislaufwirtschaft – Wie schnell dreht sich HR?
Die zirkuläre Kreislaufwirtschaft, ein Wirtschaftssystem, in dem Materialien und Produkte so lange wie möglich stofflich im Umlauf bleiben und auf den gesamten Lebenszyklus eines Produktes sowie das gesamte Wertschöpfungsnetzwerk fokussiert werden, steht im Zentrum einer globalen Diskussion über nachhaltige Entwicklung und Ressourcenschonung. Was bedeutet diese Entwicklung zukünftig für HR?
10R-Strategien
Das zirkuläre Kreislaufwirtschaft basiert auf Geschäftsmodellen, die das traditionelle „Wegwerfkonzept“ ersetzen. Dazu kommen verschiedene Strategien, auch R-Strategien genannt, zum Einsatz.
Die 10R-Strategien lassen sich gemäß Kirchherr in drei Leitprinzipien unterteilen: Die Strategien R0 bis R2 (Refuse, Rethink, Reduce) zielen darauf ab, den Rohstoffeinsatz in der Produktion zu reduzieren. Dies kann sowohl durch eine Steigerung der Produktionseffizienz als auch durch eine Steigerung der Nutzungsintensität erreicht werden, so dass der gleiche Gesamtnutzen für den Kunden mit weniger Rohstoffen erbracht werden kann.
Die Strategien R3 bis R7 (Reuse, Repair, Refurbish, Remanufacture, Repurpose) zielen darauf ab, Rohstoffe, die bereits in Produkten enthalten sind, im Wirtschaftssystem zu halten. Durch Wieder- oder Weiterverwendung von Produkten oder Produktteilen kann der Kundennutzen ohne weitere Rohstoffentnahme bereitgestellt werden. Die letzten beiden Strategien R8 und R9 (Recycle und Recover) zielen auf die Rückgewinnung von Rohstoffen aus Produkten oder Produktteilen, die nicht mehr genutzt werden können und deren Bestandteile entsorgt werden müssen. Durch die Gewinnung von Sekundärrohstoffen kann der Bedarf an Primärrohstoffen reduziert werden, d.h. es müssen weniger Rohstoffe aus der Umwelt entnommen werden.

Tendenziell gilt, dass die engeren Kreise, dargestellt in der folgenden Abbildung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Grant Thornton Deutschland, einen höheren Grad an Zirkularität haben und daher einen geringeren Bedarf an natürlichen Ressourcen.

Definition Wirtschaft-Ökosystem
Die am zirkulären Kreislauf beteiligten Unternehmen bilden ein wirtschaftliches Ökosystem. In der Biologie bezeichnet "Ökosystem" ein ganzheitliches System von organischen und anorganischen Elementen. Ersetze ich in der Definition „Organismus“ durch Unternehmen liest sich das in Anlehnung an den
Haufeartikel „Lernökosysteme gestalten“ von Prof. Dr. Anja Schmitz und Jan Foelsing vom 17.07.2023 so:
Ein Wirtschaftsökosystem ist eine Lebensgemeinschaft von Unternehmen unterschiedlicher Arten, die im Austausch mit ihrer belebten Umwelt stehen und sich einen gemeinsamen Lebensraum teilen. Die Unternehmen, Produkte, Dienstleistungen beeinflussen sich gegenseitig. Sie kollaborieren, aber stehen auch in Wettbewerb miteinander. Sie teilen sich Ressourcen, entwickeln sich gemeinsam, formieren sich ständig neu, reagieren auf Störungen und passen sich dadurch kontinuierlich an ihre Umwelt an.
Motivation für eine zirkuläre Supply Chain
Es ist zu beobachten, dass Unternehmen bereits vermehrt die Etablierung neuer Supply Chain-Strukturen anstreben, die die Wiederverwertung von Produkten von Grund auf berücksichtigen. Die Motivation für diese Entwicklung ist vielschichtig. Sie umfasst:
- Die Widerstandsfähigkeit und Sicherung des Zugangs zu Rohstoffen und Komponenten, indem Risiken von Lieferengpässen, Naturkatastrophen oder geopolitischen Spannungen reduziert werden.
- Die Erschließung neuer Märkte mit kostengünstigeren Produkten durch Wiederverwendung.
- Die Sicherung etablierter Kundenzugänge und die Abwehr neuer Wettbewerber.
- Die Einsparung von Energie- und Materialkosten im Vergleich zur Neuproduktion.
- Die Reduktion von Gesamtkosten über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg durch Total Lifecycle Cost Management.
- Der Beitrag zur Nachhaltigkeit durch einen sparsamen Umgang mit knappen Ressourcen wie Energie, Abfall, Abwasser und anderen Umwelteinflüssen.
- Die Schaffung eines positiven Markenimages.
Entscheidend ist, dass die Gestaltung einer zirkulären Wertschöpfung, einer Circular Supply Chain, finanziell attraktiv und ökonomisch tragfähig ist. Das zurückgewonnene und wiederaufbereitete Produkt sollte langfristig nicht teurer sein als ein neu produziertes, vergleichbares Produkt. Letztlich ist die Rentabilität und Wirtschaftlichkeit ein entscheidender Faktor für den Erfolg einer Circular Supply Chain.
Herausforderung "Mindset"
Doch während die Idee der Kreislaufwirtschaft vielversprechend klingt, habe ich in einer Veranstaltung des Mittelstand Bundesverbandes BVMW e.V. von betroffenen Akteuren vernommen, dass es erst mal um den „Mindset“ geht, Bewusstsein, Wissen und eine neue Art des zirkulären Denkens aufzubauen, um die zahlreichen Probleme in einem Netzwerk von Unternehmen sinnvoll angehen zu können.
Die größte Herausforderung besteht in der Transformation von einem linearen, verschwenderischen Wirtschaftsmodell hin zu einem zirkulären, ressourcenschonenden Modell, wie die Referenten
Daniel Groos und
Heinke Schoger der Beratungsfirma
Sharkbite Innovation Gmbh an Beispielen eindrücklich darlegten. Dies erfordert ein Umdenken in allen Unternehmensbereichen, von dem Design der Produkte und Dienstleistungen, der Produktion über die Nutzung bis hin zur Entsorgung von Gütern. Unternehmen müssen ihre Geschäftsmodelle, Produktionsprozesse und Lieferketten neu gestalten, um den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft gerecht zu werden.
Personalmanagement - Brücke zwischen zirkulärer Strategie und Mitarbeitendenengagement
In diesem Kontext gewinnt das Personalmanagement als Brücke zwischen Unternehmensstrategie und Mitarbeiterengagement eine zentrale Rolle bei der Umsetzung einer nachhaltigen und zirkulären Wirtschaft. Doch wie können Personalmanager:innen u.a. in enger Zusammenarbeit mit Verantwortlichen von Compliance, Sustainability, CSR (Corporate Social Responsibility), LKSG(Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz), etc. dazu beitragen, den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft zu erleichtern? Müssen Sie selbst in einem Netzwerk agieren, um langfristig strategische Aufgaben gemeinsam unternehmensübergreifend ganzheitlich und effektiv zu lösen?
Hier sehe ich mehrere wichtige Aspekte und notwendige Initiativen des Personalmanagements zur Initiierung, Förderung einer langfristig orientierten, sozialen und ressourcenschonenden Kultur:
Einstellung und Verhalten aller Mitarbeitenden, Führungskräfte und Stakeholder im Ökosystem
Nachhaltige Unternehmen erfordern von allen die Bereitschaft zu Veränderungen, die sowohl die Einstellung, das Verhalten als auch die Umsetzung geeigneter Maßnahmen betreffen. Aufgabe der Führungskräfte ist es, die Notwendigkeit dieser Veränderungen aufzuzeigen und die Begeisterung der Mitarbeitenden zu sichern. Dies erfordert eine klare Führung und eine inspirierende Vision und Purpose seitens des Managements, wie bereits Prof. Dr. Rupert Felder, Senior Vice President HR Heidelberger Druckmaschinen AG, in einem
Haufe-Artikel 2021 zu Green HR darlegte.
Positive Employee Experience im Ökosystem
Eine positive Employee Experience ist Ergebnis eines ganzheitlichen Ansatzes. Dieser berücksichtigt verschiedene Aspekte zur Gewinnung, Förderung und Bindung von Mitarbeitenden und könnte im Sinne eines nachhaltigen Personalmanagements auf eine zirkuläre Kreislaufwirtschaft ausgerichtet werden, um letztendlich die Produktivität des Ökosystems (nicht notwendigerweise einzelner Unternehmen) zu steigern und die Mitarbeitenden langfristig bei hohem Engagement in dem Netzwerk zu binden.

Aspekte positive Employee Experience in Ökosystemen
- Unternehmenskultur
- gemeinsames Zielbild aller beteiligter Unternehmen des Ökosystems
- Teilen gemeinsamer Werte und Prinzipieollaborativ, innovativ, offen,
- Personaleinsatz nach
- Arbeitsumgebung
- kollaborativ, innovativ, offen,
- Personaleinsatz nach Potenzialen
- Förderung von Sicherheit, Gerechtigkeit, Ethik und Corporate Social Responsibility
- Personelle Vielfalt der Belegschaft
- Arbeitsbedingungen
- flexibel, lernfreundlich, unterstützend, achtsam, genügsam
- Möglichkeit der Erhaltung der Gesundheit, Lebensqualität und Work-Life-Balance
- Führungsstil:
- Unterstützung von Selbstorganisation, Innovation, Kollaboration
- baut auf Vertrauen auf
- keine Gier und keine Fokussierung auf den eigenen Vorteil
- Entwicklungsmöglichkeiten:
- im gesamten Ökosystem - für mehr Flexibilität, Effizienz
- Sinnvoller, wirksamer Einsatz älterer Mitarbeitender (Erfahrungsträger, Lerncoaches, Change Manager, Tandembegleiter, …)
- Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit und des lebenslangen Lernens
- Kommunikation, Entscheidungen und Feedback:
- Erweiterung der Feedbackgeber auf das Ökosystem
- Offene Kommunikation auf Augenhöhe
- Transparenz durch Daten und Analytics
- vernetztes, datenbasiertes Entscheiden
- Wertschätzung und Anerkennung:
- auch durch langfristige nicht finanzielle Ziele
- durch konkrete Ziele/Objects und Kennzahlen/KPI´s im Ökosystem als orientierungsstiftende Indikatoren für die Wirksamkeit der Kollaboration
- für außergewöhnliche Leistungen
- Sinnhaftigkeit in der ausgeübten Tätigkeit:
- klare Vision, Mission, Purpose
- Bekenntnis zu zirkulären Kreislaufwirtschaft
- gelebte Nachhaltigkeit und Einsparung von Energie und CO2
Förderung zirkulärer Expertise durch strategisch gestalteten Aufbau und Austausch von Wissen – Fähigkeiten – Erfahrung im Ökosystem
Neben dem Wertschöpfungskreislauf bedarf es auch eines Lernökosystems, in dem Weiterbildungsangebote, selbstorganisiert, bei Bedarf für alle ermöglicht werden:
- Praxisaufgaben und -projekte, die unternehmensübergreifend kollaborativ bearbeitet werden
- Co-Coaching, Lerntandems aus zwei verschiedenen Unternehmensbereichen oder Unternehmen
- Lernen in und Austausch mit anderen Ökosystemen
- neue wissenschaftlichen Erkenntnisse zu zirkulärer Wertschöpfung
- Details zu den eigenen und im Netzwerk beteiligten Produkten und Dienstleistungen über den gesamten Lebenszyklus inkl. Inhaltsstoffe der Produkte (z B in zugekauften Komponenten und Baugruppen)
- Systemisches Denken, Kollaboratives Arbeiten, Coopetition
- Future Skills
In Ökosystemen steigt die Intensität der Geschäftsbeziehungen, die Kommunikation, Abstimmung und Zusammenarbeit mit Kunden, Lieferanten, Behörden und weiteren Stakeholdern. Eine der Kernkompetenzen eines Unternehmens in zirkulärer Kreislaufwirtschaft besteht insofern darin, nachhaltige, vertrauensvolle Kooperationen mit Unternehmen in der eigenen Branche, aber auch mit Unternehmen in vor- und nachgelagerten Bereichen zu entwickeln und langfristig aufzubauen, um letztendlich kooperative Geschäftsmodelle zu gestalten, die die Zusammenarbeit und den Austausch von Wissen, Fähigkeiten, Ressourcen oder Kapital betonen, um Vorteile für alle beteiligten Parteien zu erzielen.
Diesen Wandel und die Entwicklung hin zu einer vertrauensvollen, langfristig-orientierten, auf Datenbasis und Kooperation entscheidender, offener, partizipativer Unternehmenskultur zu initiieren, zu fördern und zu unterstützen, liegt vor allem in der Verantwortung des Personalmanagements. HR spielt eine entscheidende Rolle, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Das Ökosystem gemeinsam, aktiv und innovativ mitgestalten.
Würde das für das Personalmanagement bedeuten, dass ihre Mitarbeitenden mit diesem Wandel beginnen, sich öffnen, mit den HR-Abteilungen der anderen im Ökosystem beteiligten Unternehmen zirkulär kommunizieren und zusammen arbeiten, um daraus ein tieferes Verständnis von Problemen zu ermöglichen, Kreativität und Innovation zu fördern, zum Aufbau stärkerer Beziehungen zwischen den teilnehmenden Unternehmen beizutragen, Effizienzen ausloten und Aufgaben nach Kernkompetenzen zu verteilen, Mitarbeitende gemeinsam weiterzuentwickeln und zu binden?
Bleiben Sie neugierig und denken Sie weiter …








