Mit dem Lernen ist es wie mit dem Impfen … Wie können wir uns gemeinsam entwickeln?
Wir alle sehen es aktuell in der Politik und erleben es auch in Unternehmen, Teams oder in der Familie, wir sind nicht immer gleicher Meinung und schaffen es auch nicht zu einer für alle sinnvollen und tragbaren Lösung zu kommen.
Aber warum ist das so?
Wir Menschen sind
divers, unser Verhalten beschreibt
Kurt Levin
als Interdependenz von Person und Umwelt, unsere Motive sind nach
Reiss
unterschiedlich ausgeprägt und die Entwicklung vollzieht sich mal schneller, mal langsamer über verschiedene Stufen (Graves), so dass mehrere Menschen zusammen in einem Raum sinnbildlich an unterschiedlichen Punkten stehen und sich unterschiedliche Denkstrukturen und Problembewältigungsmechanismen erworben haben. Die wenigsten sind sich dessen bewusst.
Die folgende Abbildung symbolisiert basierend auf den recht stabilen 16 Lebensmotiven von Reiss die Entwicklung nach Graves und zeigt Personen, die verschiedenes Verhalten zeigen. Dieses Verhalten kann z.B. über Big Five, DISG oder auch MBTI beschrieben werden. Falls das Verhalten zweier Menschen ähnlich ist, bedeutet das noch nicht, dass sie sich „verstehen“, wenn sie auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen zu Gange sind.
Zwischen den Graves Entwicklungsstufen gibt es nach
H. Wiehle
meist folgende Ressentiments: Die „Blauen“ halten die „Roten“ und „Orangen“ als überdreht und gefährlich, im Gegenzug bezeichnet „Orange“ die „Blauen“ für bürokratisch und langsam und sieht die „Grünen“ mit Räucherstäbchen. Die „Roten“ werden für ausbeuterisch und kriminell gehalten.

Eine weitere Differenzierung zeigt sich in der Bewertung der jeweiligen Aufgabe. Geht es darum, einen bekannten Prozess effizienter zu machen, ein bereits aufgetretenes Problem oder Ereignis zu lösen (maximal komplizierte, blaue Aufgabe) oder befinden wir uns auf unbekannten Terrain, mit neuer Herausforderung, unbekanntem Ziel und einem System mit sich ständig verändernden und gegenseitig abhängenden Mitspielern? (komplexe, rote Aufgabe). In beiden Fällen sind jeweils unterschiedliches Wissen, Fähigkeiten und Methoden von Nöten.
Was ist mit blauer bzw. roter Aufgabe gemeint?
Silke Hermann und Niels Pfläging beschreiben die in Ihrem Buch Komplexithoden - Clevere Wege zur (Wieder)Belebung von Unternehmen wie folgt: Wertschöpfung und Arbeit haben immer beides – „Blau“ und „Rot“. Mit „Rot“ bezeichnen wir den lebendigen, dynamik-robusten Anteil von Arbeit und Unternehmensfunktionen, mit „Blau“ den formalen und toten. Rote Funktionen können nur von Menschen erfüllt werden, blaue auch von Maschinen. Bei standardisierbarer Massenfertigung bestimmt das Blaue die Konkurrenzkraft, bei Wertschöpfung in Dynamik das Rote. Aus Gewohnheit versuchen die meisten Unternehmen, beiden Typen von Problemen, roten wie blauen, mit Wissen zu begegnen. Wo viel Rot ist, dort kann man die Dinge nicht nacheinander abarbeiten. Und auch nicht sinnvoll vorhersagen. Wissen nützt hier wenig! Wenn man versucht, rote Probleme dennoch mit blauen Prozessen zu lösen, dann schwellen diese Prozesse an, werden träge und weniger leistungsfähig. Blaue „Lösungen“ und Werkzeuge wirken darum oft hilflos und unpassend. Wirkung erzeugen Sie höchstens zufällig.

Das Einzige, was hier hilft, sind eigene Ideen. Die erhält man nur von Menschen, die in roten Situationen kreativ werden können und so Dynamik bewältigen. Wir nennen sie Könner. Bei roten Problemen steht also die Frage Wer kann es schaffen? im Vordergrund, bei blauen Problem die Frage Wie geht es?
Alleine durch den Versuch einer Beschreibung aller Verschiedenheit bzw. teilweise bildlichen Darstellung sollte jedem Leser klar werden, dass diese Komplexität nur durch einfache Prinzipien transparent und geordnet werden kann, wie z.B.:
- Menschenbild & Ethisches Framework & Prinzipien
- Zielbild & Risikobewertungen
- Aufgabeneinordnung (blau/rot) & Nutzung geeigneter Ressourcen
- miteinander-füreinander Lernen und Arbeiten & durch Antizipations-, Aktions- und Reflexionszyklus sich kontinuierlich verbessern
- Fortschritt & Entwicklung
Mit dem Lernen ist es wie mit dem Impfen
Je mehr Menschen gleichzeitig auf einem ähnlichen Wissens- und Kontextstand sprich Immunisierungsstand sind, desto resistenter sind wir als Gemeinschaft gegen Herausforderungen und können gemeinsam Zukunft gestalten oder Viren entgegentreten. Hierfür bedarf es zunächst des Wollen, also einer bewussten Autorisierung dieser Entwicklung, die diese Wirkung entfalten darf und soll.
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass, wollen Unternehmen Nutzen aus der Unterschiedlichkeit der Mitarbeitenden ziehen, es gleichzeitig zu einem Thema eines höheren Bewusstseinsniveaus aller betroffener Akteure bedarf, wie wir es, im Gegensatz zu einer Diktatur, auch als Bürger:innen in einer Demokratie bedürfen.
Die erwünschten Kompetenzen, wie Zusammenhänge erkennen, miteinander und füreinander Lernen & Arbeiten, Denkwerkzeuge, Reflexionsfähigkeit, Interaktionsqualität, etc., die für rote Tätigkeiten gekonnt werden müssen, fallen aber nicht vom Himmel und sind meist noch nicht Inhalt unserer Bildung (s.a. Artikel:
Learning & Creating Network – zeitgemäß lebensbegleitend Lernen und Gestalten
vom 27.03.2022). Obige Fähigkeiten können auch weder in traditionellen Lernformaten wie Webinare oder Seminaren noch über Podcast oder Microlearning erlernt werden, da es um kollektives Bewusstsein, gemeinsame Erkenntnisse und das disziplinierte Üben bis zum Können geht. Der lernintensivste Diskurs erfolgt kontinuierlich über mehrere Wochen in jeweils 90 Minuten selbstorganisierten Kleingruppen von 4-6 Personen. In Unternehmen sollten neben der Nutzung weiterer Lerninhalte und -formate möglichst viele dieser Lerngruppen zur gleichen Zeit aktiv sein, um untereinander Resonanz zu erzeugen, geteilte Annahmen, Vereinbarungen und Kommunikationsmuster zu verändern und sich so zu einer lernenden Organisation zu entwickeln. Herrschaftswissen und Könnermonopole behindern jedoch die Wirksamkeit. Dieses Lernkonzept ist angelehnt an
Action Learning
und ist auch digital möglich, z.B. bei
Disqourse. (s.a. Silke Hermann, Niels Pfläging, Zellstrukturdesign, S.126-127)
Habe ich Sie neugierig gemacht? Ich freue mich auf Ihre Erkenntnisse.








